Dauerbrenner rechtlicher Diskussionen ist die Frage, in welchem Rahmen Arbeitgeber die Nutzung des dienstlichen PC überwachen dürfen. Regelmäßig geht es um die private Internet- oder E-Mail-Nutzung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich mittlerweile auch mit der Frage beschäftigt, wann private Dateien auf dienstlichen Computern ausgewertet werden dürfen.
Grundsätze der Nutzung betrieblicher Arbeitsmittel
Stellt der Arbeitgeber Hardware und Software zur Verfügung, dürfen die Arbeitsmittel nur für die betriebliche Tätigkeit genutzt werden. Eine private Nutzung ist dann erlaubt, wenn sie ausdrücklich durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung gestattet wird. Daneben ist die „normative Kraft des Faktischen“ zu beachten: Duldet der Arbeitgeber die private Nutzung über einen längeren Zeitraum hinweg, kann eine Privatnutzung als sog. „betriebliche Übung“ ebenfalls gestattet sein.
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Nutzung von Internet- und E-Mail, sondern auch für die Speicherung privater Dateien auf dienstlich zur Verfügung gestellten Geräten.
Auswertung bei ausschließlich betrieblich erlaubter Nutzung
Ist die private Nutzung nicht erlaubt, richtet sich das Recht zur Einsichtnahme ausschließlich nach Datenschutzrecht (hier insbesondere § 26 BDSG). Ein Zugriff auf die Dateien des Gerätes wird zulässig sein, solange der Zugriff für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist, mithin einem schutzwürdigen betrieblichen Zweck dient.
Eine Ausnahme wird dann anzunehmen sein, wenn bestimmte Daten eindeutig privater Natur sind. Ein Zugriff auf private Dateien wird unter Berücksichtigung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers nicht für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sein. Ein Zugriff durch den Arbeitgeber dürfte hier nur in den engen Grenzen eines konkreten Missbrauchverdachts i.S.d. § 26 Abs.1 S.2 BDSG zulässig sein.
Auswertung bei erlaubter privater Nutzung
Hinsichtlich einer gestatteten privaten Nutzung des Arbeitsgerätes stellt sich die Rechtslage für die Speicherung privater Daten – im Gegensatz zur Auswertung von E-Mails, bei welcher den Arbeitgeber Pflichten aus dem Fernmeldegeheimnis gem. § 88 Abs. 2 S. 1 TKG treffen können – nicht wesentlich anders dar. Auch hier wird dem Arbeitgeber regelmäßig nicht die Verarbeitung von Dateien erlaubt sein, die eindeutig privater Natur sind.
Es empfiehlt sich daher in jedem Fall zu vereinbaren, private Dateien in einem klar erkenntlichen privaten Bereich zu speichern. Dies hat der EGMR in seinem Urteil vom 22. Februar 2018 nun bekräftigt.
Die EGMR-Entscheidung „Libert/France“ im Detail
Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer war Angestellter der staatlichen französischen Eisenbahngesellschaft. Eine interne Unternehmensrichtlinie gestattete die private Nutzung in begrenztem Umfang. Private Dateien seien dann aber als „privat“ zu kennzeichnen.
Aufgrund einer Untersuchung, ausgelöst durch eine Beschwerde eines Kollegen, wurde der Beschwerdeführer für mehrere Monate suspendiert. Als er zu seinem Arbeitsplatz zurückkehrte, stellte er fest, dass sein Arbeitsrechner inspiziert wurde. Sein Nachfolger hatte während seiner Abwesenheit auf dem Laufwerk „D:/Persönliche Daten“ im Ordner „Zum Lachen“ pornografische Dateien entdeckt und Vorgesetze darüber informiert. Der Beschwerdeführer gab an, dass ihm Unbekannte Dritte über da Intranet die Dateien auf den dienstlichen PC übertragen hätten. Er wurde schließlich entlassen.
Der EGMR hatte nun darüber zu entscheiden, ob die Einsichtnahme in die Dateien den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Privatleben aus Art. 8 Abs.1 EMRK verletzte. Eine Besonderheit lag darin, dass Art. 8 Abs.2 EMRK die Einschränkung des Abs.1 durch eine Behörde regelt. Dies spielte hier eine Rolle, da die staatliche französische Eisenbahngesellschaft, trotz privatrechtlicher Rechtsform, als „Behörde“ i.S.d. Art. 8 Abs.2 EMRK zu behandeln war. Für die nachfolgend dargestellten datenschutzrechtlichen Erwägungen spielte dies jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Rechtliche Bewertung durch den EGMR
Der EGMR stellte fest, dass die Vorinstanzen zurecht darauf hingewiesen hatten, dass
- bei allen Dateien, die der Beschwerdeführer auf seinem dienstlichen Computer erstellt habe, davon auszugehen war, dass sie dienstlicher Natur waren, mit Ausnahme solcher Daten, die ausdrücklich als „privat“ gekennzeichnet wurden.
- Auch richtig festgestellt wurde, dass ein Arbeitnehmer nicht ein gesamtes Laufwerk, das für berufliche Dateien bestimmt sei, für private Zwecke nutzen könne.
- der Begriff „persönliche Daten“ sich auf Dokumente beziehen kann, die der Mitarbeiter als persönlich behandelt, die jedoch nicht eindeutig seinem Privatleben zuzuordnen seien.
- Der streitgegenständliche Datei-Ordner als „persönlich“ und nicht „privat“ gekennzeichnet war.
Was Arbeitnehmer beachten sollten
Knackpunkt der Entscheidung war die Feststellung des EGMR, dass der Arbeitgeber Dateien, die nicht eindeutig als „private Dateien“ zu erkennen sind, grundsätzlich verwerten darf. Entsprechend drehten sich die Erwägungen des Gerichts überwiegend um die Frage, ob im vorliegenden Fall die abgerufenen pornografischen Dateien als „privat“ zu erkennen gewesen waren. Nur in diesem Fall hätte das „Recht auf Privatleben“ des Arbeitnehmers als Ausfluss des Schutzes der Privatsphäre Vorrang vor dem Interesse des Arbeitgebers an der Datenerhebung gehabt.
Will ein Arbeitnehmer nicht, dass seine privaten Dateien auf dem Arbeitsrechner durch den Arbeitgeber oder Kollegen geöffnet werden, sollte er idealerweise erst gar keine privaten Dateien auf dem Gerät abspeichern. Tut er dies doch, sollte er sicherstellen, dass die Dateien eindeutig als „private Dateien“ zu erkennen sind, etwa durch die Speicherung in einem unmissverständlich bezeichneten Ordner. Der Ordner-Name „Persönlich“ dürfte nach dem EGMR nicht ausreichen. Auch könnte an eine Verschlüsselung des Ordners gedacht werden.
Doch selbst für den Fall, dass die Dateien klar erkennbar privater Natur sind, ist der Arbeitnehmer nicht vor einer Einsichtnahme durch den Arbeitgeber geschützt: Eine Einsichtnahme durch den Arbeitgeber käme etwa bei einem konkreten Verdacht einer schweren Verfehlung in Betracht.
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